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Lyrik
Flüchtig sind all die Triumphe des Lebens,
alles enteilt zu den Schatten, kaum daß es
Zeit hat, im Ansatz die Welt zu begreifen.
TROTZDEM GEDICHT
etliche vom aussterben ohnehin bedrohte
braunpelikane verwechseln den schimmern-
den asphalt der Straßen arizonas derzeit gerne
mit Wasseroberflächen, eine fehleinschätzung,
welche regelmäßig rotbraun endet.
dazu fällt mir weißgott warum ein:
der deutsche meister im stabhandgranaten-
weitwurf august 1939 schaffte 73,5 Meter.
null phantasterei. nur harte fakten.
trotzdem gedicht.
OHNE TITEL
Ich will dich mit gefletschten
zähnen packen und erzwetschgen.
möchte deine unterhosen
pfirsichen und aprikosen,
will orangen dich, melonen,
mandarinen und bewohnen.
datteln dich und kirschen, trauben,
will dir schlaf und atem rauben,
auch zwei ananasse härchen
aus dem feigen stachelbeerchen.
Ich banane dich so sehr.
Und du zitronst mich immer mehr.
EINST IM MAI
Jedes Jahr den Friedhof
nach nem Blumenstrauß
absuchen, der so halb als
frisch und bunt durchgeht.
Muttertag.
Guckt, eine Murmel!
Sagen die Säue,
Leider nicht bunt. Und
auch nicht ganz rund.
Sagen die Säue.
nach den träumen nüchtern,
das fest kaum mehr
als schmerz vorhanden,
jeden Spiegel bitten:
zeig mir, einmal noch,
mein bild, dann
stürz ich mich hinein
fern im gelände der fels einer ahnung,
wie schwer, was heute umherfliegt in schwärmen,
bald enger, atom an atom, herumliegt.
trophäen zu zählen, dagegen zu setzen,
was unerlebt blieb - parasiten ziehen
auf diese infame weise bilanz.
du weißt, daß der kuß, der versäumte, doch da war,
gegeben, empfangen, nur anders, woanders.
wo wir nicht lebten, taten es andre.
jene freuten sich unseres zögerns.
was wir unterließen, war überlassen.
so läßt sich das fassen, fast schon genießen.
heute wirds eine saalschlacht geben
zwischen walen und elefanten.
mannomann. das mitzuerleben -
danke! da kommen die kombattanten.
siegessicher, beschallt von trompeten
stürmen die elefanten den saal.
wollen den Walen entgegentreten,
sehen sich um, und nirgends ein wal.
allerhand.
Die Wale befinden sich am Strand
im landeanflug - sozusagen.
kann man so nicht sagen, nein?
auf einem landausflug vielleicht,
der leider weit genug nicht reicht?
wir blenden erstmal Werbung ein.
KREUZBERGER ENTITÄTEN I
wie trist er heute wieder ist,
von allen bösen geistern verlassen,
der arbeitslose exexorzist.
trinkt dosenbier auf einer bank,
kinder schneiden ihm grimassen,
verdorben sind sie, seelenkrank.
ungetauft. und stinken.
die kleinen teufel. er kann nun
außer noch ein bier zu trinken,
gar nichts mehr dagegen tun.
KREUZBERGER ENTITÄTEN II
maimorgens um fünf, im ersten licht
sitzen zwei transen am mehringdamm,
weils da noch köstliche Currywurst gibt,
zwiebeln und pommes, champagner gibts nicht.
die transen sind trunken und summen, stramm
verweltschmerz, beide unendlich verliebt,
nicht ineinander, das wäre zu einfach.
kaufen zwei flaschen halbkaltes Schultheiß
nippen daran und beklagen ihr Schicksal
daß Schultheiß nur scheiß sei, kein budweis
drüben der friedhof, die liebe, und ach -
schicksal ist schick, nur das Schultheiß banal
Hätte Romus den Remulus getötet (statt
umgekehrt)
unser ehwürdiges altes Rem hieße heute
Rom.
Das heilige remische Reich hieße das heilige
romische Reich. Komisch.
Aber man wäre dran gewöhnt und empfände
es gar nicht als seltsam.
musik, die morgens seltsam trist,
abends anders, sonderbar
heimelig, berückend klang.
wievieles einmal wichtig war,
inzwischen längst vergessen ist.
die kleine, schlichte, irgendwie
halb ausgeführte melodie,
war immer da, mein leben lang.
du summtest sie, vergessen bist
auch du, verzeih, was blieb, sind jene
sonderbaren fünf, sechs töne,
abends anders, morgens trist.
die fliegen im schädel
reiben die beinchen
und fliegen im schädel
herum und sie summen,
surren und brummen.
die schweinchen.
fühlen sich sicher
da drinnen und kichern.
ich weiß, was die denken:
er kann uns nicht schlagen.
was die nicht ahnen:
ich kann sie ertränken
die erde, von mir aus besehen,
ist klein und blau.
umgekehrt ergibt sich wohl
ein ähnliches bild.
<über rom, im lichten hain / im schatten der akazie / stille. warten auf rosé-wein. / ecco. prego. grazie. / trinkgeld geben. kaiser sein. / über rom, im lichten hain.>
Kurzprosa
Bald, dank Gurkenscheibenmedizin, sind wir alle jung und schön und kaum
noch sterblich, sehen letzten alten Menschen via Satellit beim Aussterben
zu und feiern große Parties auf ihren Gräbern.
Dann werden wir die Geburt verbieten müssen sonst wird es zu eng, und wir werden in den Städten wie pensionierte Götter sitzen, uns lustige Spiele ausdenken für den Rest aller Zeit.
Vielleicht gewöhnen wir uns aneinander, haben Spaß zusammen. Aber nie, nie
werden wir frei sein von Furcht. Denn oben in den Bergen hocken Partisaninnen in den Büschen. Die gebären wild rum.
Glaubend, der Baum sei vom Sein das Vernünftigste, ging ich nebens
Krähenfeld, stand rum und ruhte, hielt schwache Äste in die Luft. Ganz Baum.
Die Spechte glaubten mir, die Hunde, die Eulen und die Würmer, die Irren
und die Schwärmer, auf meinen Schultern zwei Vogelnester. Ich will steif
wie ein Baum stehn, sagte ich, Gehängte zärtlich trösten und lustig sein, mein Leben lang.
Wir wissen, wie leicht Hinrichtung Heirat werden kann.
Sie machten Feuer aus mir, rissen Zweige, in meine Haut schnitzen sie
dumme Versprechen schneller Liebe. Sie pissten und weinten und lachten und kotzten.
Es hatte ganz eigenen Witz.
Nach einem Jahr siegte die Neugier. Ich riss meine Wurzeln wie
eingefrorene Peitschen aus der Erde und peitschte.
AUF IN DIE TRINKHALLEN!
Wir standen an den Pissrinnen und gedachten.
Nun wohin geht´s heut abend? fragte ich die Freunde, umsonst, die Antwort war klar: In die Trinkhallen! riefen sie alle, ab in die Trinkhallen! Jawohl, in die Trinkhallen.
Überall, wo es grad abend wird, ertönt dieser Ruf.
Die Trinkhallen. Ein großes Wort. Viel besser noch als Brotlaib oder Sündenpfuhl.
AUF IN DIE TRINKHALLEN! schrien sie alle und machten sich begeistert auf den Weg.
Es war Ihnen völlig egal, ob wir uns auf hoher See befanden oder nicht.
zuletzt aktualisiert im November 2024